Ob man es Selbstfürsorge oder Selfcare nennt – wer die mentale und psychische Gesundheit erhalten und stärken will, muss sich gut um sich selbst kümmern. Um Burnout und stressbedingten sowie körperlichen Erkrankungen vorzubeugen, vorhandene nicht weiter zu verschlimmern und besser mit ihnen umzugehen. Selbstfürsorge ist Teil einer ganzheitlichen Gesundheitsfürsorge. In welchen Lebensbereichen wir selbstfürsorglich mit uns umgehen können, stelle ich anhand 8 Säulen vor und versuche mich an einer Definition.
Definition der Selbstfürsorge
Wer seine eigenen Bedürfnisse nicht kennt oder nicht auf sie hört und keine Grenzen setzen kann, läuft Gefahr, im Dauerlauf durch das Leben zu hetzen, unzufrieden zu sein, schöne Momente und Wohlbefinden zu verpassen und schlimmstenfalls durch chronischen Stress die Gesundheit zu schädigen.
Das Zitat „Gönne dich dir selbst“ stammt von Bernhard von Clairvaux und drückt in wenigen Worten das Konzept aus.
Für den Begriff der Selbstfürsorge gibt es keine einheitliche Definition. Die Idee und vor allem das, was jeder Mensch daraus macht, ist sehr individuell. Im Folgenden versuche ich mich von einer allgemeinen Sichtweise hin zu den einzelnen Bereichen, den Säulen der Selbstfürsorge.
Selbstfürsorge ist laut dem Wissenschaftler und Psychologen Gert Kaluza1 ein
- wertschätzender, liebevoller, achtsamer und mitfühlender Umgang mit sich selbst
- das bewusste Wahrnehmen und Ernstnehmen der eigenen Bedürfnisse
- euthymes Erleben und Verhalten – also alles, was der Seele guttut
Damit verbunden ist eine selbstfürsorgliche Haltung. Diese meint:
- Selbst-Achtsamkeit: die eigenen Stimmungen, Bedürfnisse, Wünsche wahrnehmen, nicht verdrängen
- Selbst-Akzeptanz: Stimmungen, Bedürfnisse, Wünsche annehmen statt abwerten
- Selbst-Mitgefühl: sich selbst mit liebevoller Güte begegnen
8 Säulen der Selbstfürsorge
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und mit dem Wissen, dass sich Selbstfürsorge immerzu ergänzen und individualisieren lässt, versuche ich, die Bereiche der Selbstfürsorge zu definieren.
Warum bezeichne ich sie als Säulen? Weil sie meiner Meinung nach das Fundament sind für Wohlbefinden und Widerstandskraft.
SÄULEN 1 & 2: ENTSPANNUNG & ACHTSAMKEIT
Entspannung und Achtsamkeit sind Aspekte der Erholung. Bei der Entspannung geht es um den Prozess, zur Ruhe zu kommen und im wahrsten Wortsinn Anspannung loszuwerden und zur Ruhe zu kommen. Hierzu gehören verschiedene Entspannungsübungen wie Yoga, Meditation, Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training etc., sowie Achtsamkeitsübungen und die Prinzipien der inneren Achtsamkeit, also im Hier und Jetzt zu sein, sich seiner Bewertungen bewusst zu werden und einen inneren, sicheren Ort zu haben. Meditation und Atemübungen können zu beiden Säulen gehören.
Eine Münchner Tagesklinik hat den Unterschied zwischen Achtsamkeit und Entspannung gut dargelegt: ‚Achtsamkeit und Entspannung bedingen und fördern einander. Entspannung dient der Entlastung und Erholung von körperlichen Verspannungen. Achtsamkeit schafft die geistig-seelische Voraussetzung (Mindfulness), um ein zukünftiges „Verkrampfen“ oder Festhalten an negativen körperlichen und geistigen Zuständen zu verhindern.‘ 2
SÄULE 3: ERNÄHRUNG
Wir sind, was wir essen. Und die Gesundheit sitze außerdem im Darm, wie oft zitiert wird.
Die Basis ist eine ausgewogene Ernährung mit viel Wasser und antientzündlichen Lebensmitteln, so oft wie möglich frisch gekocht. Ohne Stress, dafür mit Liebe. Die Ernährung darf einfach und unkompliziert sein und sollte dabei natürlich die eigenen Unverträglichkeiten berücksichtigen. In bestimmten Lebensphasen brauchen wir ebenfalls eine bestimmte Nahrungszusammensetzung.
SÄULE 4: BEWEGUNG
Schon gehört? Sitzen ist das neue Rauchen! Mit regelmäßiger Bewegung können wir unser Leben verlängern, schützen Herz- und Kreislauf und uns vor Übergewicht, Diabetes, Krebserkrankungen und Osteoporose. Zudem fördern Sport und Bewegung eine gesunde Psyche.3
SÄULE 5: WERTE & SINN
Hier geht es darum, die eigenen Werte zu erkennen und bestmöglich nach ihnen zu leben. Sinn ist ein großes Wort mit vielen Bedeutungen und ohne sich in Philosophie zu verlieren, betrachte ich Sinn als das Ausleben der eigenen Werte. Sinnerfüllung finden wir in der Erfahrung von schöpferischen, kreativen Werken, Erlebnissen und Akzeptanz sowie in dem Gefühl, Teil vom großen Ganzen zu sein. Auch das persönliche Wachstum und lebenslanges Lernen kann dazugehören.
SÄULE 6: SOZIALES NETZ UND BEZIEHUNGEN
Auch, wenn der Eindruck entstehen könnte, Selbstfürsorge sei Egoismus – das Gegenteil ist der Fall. Der Mensch als soziales Wesen findet in gelingenden Beziehungen Erfüllung und Wohlbefinden. Auch für die Gesundheit ist das soziale Netz wichtig: Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unterstützt eine gute soziale Integration die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit, das Risiko externer gesundheitsschädigender Einflüsse wird ebenfalls gesenkt.4
SÄULE 7: GENUSS & ERHOLUNG
Erholung bedeutet Regeneration, Revitalisierung und auch Heilung. Dazu gehören Schlaf, Ruhe, körperliche und/oder seelische Aktivitäten, die auch herausfordernd sein dürfen. Auch Entspannung, Genießen und Pausen gehören dazu.
Tägliche Genusseinheiten und Pausen müssen nicht ausufernd sein, dafür regelmäßig. Der kleine Genuss zwischendurch zeigt uns, wie schön das Leben und wie schön Kleinigkeiten sein können und spricht alle Sinne an. Pausen werden oft im Stress übergangen, dabei helfen sie, Körper und Geist herunterzufahren und Erholung zu ermöglichen. Ein Selbstfürsorge-Ziel kann sein, eine eigene Pausenkultur zu etablieren – in der Arbeit sowie im Alltag.
Ein gesunder, erholsamer Schlaf ist ebenfalls Grundlage für körperliche und mentale Gesundheit. Beeinflussbar ist Schlaf über mehrere Faktoren wie Schlafhygiene, Ernährung, Tagesablauf, körperliche Aktivität, Einschlaftechniken und einiges mehr.
SÄULE 8: RAHMENBEDINGUNGEN & PERSÖNLICHE FAKTOREN
Unterschätzen wir nicht die Rahmenbedingungen, die wir nur teilweise selbst bestimmen und schnell verändern, aber meistens zumindest anpassen können. Diese beinhalten individuelle Faktoren, zum Beispiel die finanzielle sowie die Wohnsituation, die Ordnung zuhause und am Arbeitsplatz, eine sinnvolle und geordnete Tagesstruktur und Zeitmanagement. Auch Vorerkrankungen und bestimmte gesundheitliche Risiken erhöhen den Bedarf an Selbstfürsorge und medizinischer Vorsorge.
‚Alles, was gut tut‘ versus ‚Alles, was recht ist‘?
Manche empfinden es als Affront, Grenzen zu setzen oder gesetzt zu bekommen, weil jemand auf die eigenen Bedürfnisse achtet und diese durchsetzt – zum Beispiel die Bedürfnisse nach Ruhe, Erholung, Freizeit, Bewegung, Freundlichkeit, Respekt usw. Einschnitte bei den Grundbedürfnissen wie Essen, Trinken, Schlaf, Toilette etc. haben noch schwerwiegendere Folgen für Gesundheit und Wohlbefinden.
Die gute Nachricht: Grenzen zu setzen, Bedürfnisse kennenzulernen, Entspannung und Erholung sind erlernbar und Resilienz ist trainierbar.
Warum nicht gleich heute mit einer 5-minütigen Entspannungseinheit loslegen und sie zur Gewohnheit werden lassen?

Copyright: Veronika Peschke
Quellen & Bilder:
1Gert Kaluza, Salute! Was die Seele stark macht, Klett-Cotta, 2020
2 https://tagesklinik-westend.de/therapieangebote/entspannung-und-achtsamkeit/
3https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/bewegung-im-alltag-2152810
4https://leitbegriffe.bzga.de/alphabetisches-verzeichnis/determinanten-der-gesundheit/ (abgerufen 16.01.2025)
Bilder: Elena Vagengeym/Getty Image über Canva
Grafik: Veronika Peschke über Canva KI-generiert